fabfamily.de - Fiona, Anke & Bernd

Juli
2015

Flores, Indonesien
Willkommen in Tololea – zur Begrüßung wird ein Huhn geopfert
Juli 2015

Eine Nacht in einem traditionellen Bergdorf, II - dieses Mal bei den Ngada

Willkommen in Tololea – zur Begrüßung wird ein Huhn geopfert

In den vorangegangen beiden Tagen hatten wir angefangen uns mit Andi, unserem Flores-Guide, immer öfter gegenseitig zu verarschen. Die daraus resultierende leichte Unsicherheit beim Austausch von Informationen, insbesondere zum Reiseablauf, hatte zur Folge, dass wir uns immer häufiger durch ein „Really?“ oder „Are you serious?“ über den Wahrheitsgehalt rückversichern mussten.
Als Andi uns einen Tag vor unserem Besuch in dem Ngada-Dorf Tololea darüber informierte, dass die Gastfamilie, bei der wir übernachten sollten, ein Huhn zu unserer Begrüßung opfern würde, hielten Anke und ich das zunächst für einen weiteren – offensichtlichen – Scherz.

Dieses Mal war der Weg zum Glück nicht so beschwerlich und wir erreichten das kleine Dorf nach einer 2-stündigen, nur mäßig anstrengenden Wanderung. Da nur wenige Besucher nach Tololea kommen, wurden wir bei unserer Ankunft aus allen Richtungen neugierig beobachtet…

In unserer Gastfamilie lebte ein altes Ehepaar mit deren beiden Enkelkindern. Die Eltern der Kinder hatten das Dorf zum Arbeiten in umliegenden Orten verlassen. Anders als in „Wae Rebo“ wo die Jungen traditionell im Dorf bleiben (müssen) und höchstens die Mädchen durch Heirat das Dorf verlassen dürfen, ist die Abwanderung der jungen Leute in dem Ngada-Dorf ein echtes Problem, da die Haupterwerbsquelle die Landwirschaft ist – und von den Älteren ohne Untersützung der ganzen Familie nur mühsam bewältig werden kann.
Wie Andi feststellte, wird dieses traditonelle Leben, das heute noch fester Bestandteil einer Dorfgemeinschaft ist, mit den Generationswechseln in einigen Jahren nur noch Geschichte sein – und nicht mehr gelebter Alltag. Auch er selbst musste eingestehen nur noch wenige der Mythen und Rituale in seinem Manggarai-Dorf wirklich gut zu kennen – und zu leben.

Zur Begrüßung gab es erst Mal einen Kaffee. Ankes Frage, ob sie auch einen Tee haben könne, wurde von Andi mit einem leicht empört klingenden „Nein“ beantwortet. Anke schaute ihn etwas irritiert an – zumal wir natürlich auch recht unsicher waren, wie wir uns hier zu benehmen hatten, ohne gegen ortsübliche Sitten zu verstoßen. Aber noch bevor sie mit „Really?“ nachfragen konnte, fing er schon zu grinsen an. Den Ingwer für ihren Tee hatte Anke übrigens direkt am Wegesrand eingesammelt.

Als Andi uns darauf unseren Schlafplatz draußen vor der Hütte unter einem Vordach zeigte, wollte Anke ihm das dann auch absolut nicht abnehmen, obwohl er mehrfach verzweifelt versicherte, dass es dieses Mal wirklich stimmte. Immerhin gab es aber für den harten Boden noch eine dünne Bambusmatte und eine Decke. Anke sah sich trotzdem allem herumstreunenden Getier hilflos ausgeliefert.
Und in der Tat hatten wir Nachts felligen Besuch, den ich versehntlich mit dem Fuß berührt hatte und der darauf mit kleinen, schnellen Trappelschritten über den Bambusboden davon hoppelte. Wer immer das war, er hatte sich scheinbar für unsere mitgebrachten Kekse interessiert…

Während das Abendessen vorbereitet wurde, machten wir einen ersten Rundgang durch das kleine Dorf. Es war mittlerweile schon dunkel geworden und in einigen Hütten waren Fernseher angegangen, was angesichts der recht altertümlich wirkenden Hütten schon etwas befremdlich wirkte. Aber auch hier waren die indonesischen Soaps sehr beliebt, wie wir im Vorbeigehen erfuhren.
Als wir gerade mitten auf dem Dorfplatz standen fiel (zum zweiten Mal an diesem Abend) im ganzen Dorf der Strom aus – gefolgt von einem langgezogenen „ooohhhhh….“, dass gleichzeitig aus allen Hütten um uns herum zu hören war. Wir sahen zwar absolut gar nichts mehr, mussten aber trotzdem grinsen…

Unsere Schlafecke vor dem Eingang der Hütte

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Die Begüßungszeremonie gab es dann später am Abend zum Nachtisch. Glücklicherweise blieb uns ein ausgewachsenes Huhn erspart und die Opfergabe beschränkte sich auf ein kleines Küken – was somit auch eine weniger blutige Zeremonie bedeutete.

Wir hatten Fiona vorher darüber informiert, was mit dem Huhn passieren würde – und uns darauf geeinigt, dass sie lieber die Augen zu machen sollte. Fand sie auch besser. Zur Sicherheit hatten wir ihr aber auch noch die Augen verbunden, falls die Neugier doch größer werden sollte.

Nach einer Art Beschwörungsfomel wurde dem lebendigen Küken mit einem Messer der Schnabel aufgeschnitten und der alte Mann ließ das Blut aus dem Hals in eine Schale tropfen. Er ging dann mit der Schale herum und tropfte jedem von uns etwas von dem Blut auf unsere ausgestreckten Hände. Dann wurde das Huhn komplett aufgeschnitten und kurz in’s offene Feuer gelegt. Dabei wurde wieder ein ritueller Text aufgesagt.
Anschließend zog er die Gedärme aus dem Huhn und begann sie genau zu untersuchen, indem er den Darm lang zog und den Inhalt gründlich überprüfte. Teil der Zeremonie war nämlich auch, dem Gast aus den Innereien des Magens die Zukunft vorherzusagen. Nach ein bisschen Drücken hier und da und vielen kritischen Blicken hob er schließlich den Daumen in unsere Richtung und nickte zufrieden, was bedeuten sollte „alles Gut“ – mit dem Mageninhalt des Kükens und mit dem Ausblick für unsere nächsten Tage. Was im übrigen nicht selbstverständlich war. Andi berichtete, dass einem anderen Besucher ein bevorstehender Unfall prophezeit wurde – und der sich noch auf der weiteren Tour mit ihm prompt das Bein brach. Auch wenn man darüber schmunzeln mag, die Einheimischen nehmen diese Vorhersagen durchaus sehr ernst.
Zum Schluß wurde das kleine Herz des Kükens auf einem Stock im Feuer verbrannt und der Rest des Kükens mit einer Schale Reis herumgereicht. Es war in Ordnung, dass wir nur etwas von dem Reis nahmen…

Nach dieser guten Nachricht wurde Arak, ein selbstgebrannter Schnaps aus Palmen, in Kokosschalen gereicht. Andi ließ sich aus seiner geleerten Schale dann noch seine persönliche Zukunft vorhersagen. Er bot uns an, dass das für uns auch gemacht werden könnte – wenn wir es denn wollten. Meine Schale wurde darauf hin umgedreht auf den Boden gelegt und der alte Mann murmelte wieder einen längeren Text an die Geister. Dann drehte er die Schale wieder um und inspizierte den Lauf der restlichen Arak-Tropfen in der Schale. Auch hier war zum Glück wieder der Daumen oben. Auf meine Nachfrage wie lange die Prognose in die Zukunft denn gelten sollte, erkundigte sich Andi, ob die Vorhersage für unsere ganze Reise gelten würde, worauf der alte Mann wieder mehrfach nickte. Natürlich!

Danach wurde noch mehr Arak in Kokosschalen gereicht – jetzt aber „Not for more predictions, but to get drunk“, wie Andi grinsend beim Durchreichen anmerkte.

Arak nach dem BegrüßungsopferDas Herz wird im Feuer verbrannt

Das Opfer wird herumgereicht: Arak, Reis & KükenDas But wird auf unsere Hände vereilt

Teil der Zeremonie: zu den Geistern sprechen...und die Zukunft aus den Gedärmen lesen

Prognose für die nächsten Tage: Daumen hoch!

Alle sind erleichtert...

Die Nacht war hart und kurz, aber wir wissen jetzt – zumindest ein bißchen – wie sich das Leben hier so anfühlt. Mal abgesehen davon, dass die traditionellen Hütten eine recht romantische Vorstellung vom „einfachen Leben“ suggerieren, ist es prinzipiell so, dass der Großteil der Menschen auf Flores so lebt. Die einfachen Hütten sind dann nicht so „hübsch rustikal“, sondern aus Bambus, Holz oder im besseren Fall aus Stein zusammengezimmert – aber das Leben darin ist überall dasselbe. Trotzdem wirken die Menschen zufrieden und sind – wie schon so oft erwähnt – einfach immer und überall unglaublich freundlich und hilfsbereit. Hoffen wir mal, dass das trotz zunehmender Einflüße von außen auch so bleibt…

Beim Besuch der Dörfer Bena, Gurusina & Wologai erfuhren wir noch eine ganze Menge mehr über die archaischen Traditionen und animistischen Kulturen – fanden wir alles sehr interessant, aber würde den Rahmen hier sicher etwas sprengen.
Es ist in der Region jedenfalls immer noch so, dass bei allen außerdörflichen Belangen stets Rücksprache mit dem Dorfältesten zu halten ist. Selbst zur Polizei sollte niemand ohne seine Erlaubnis gehen, ansonsten könnte der Ausschluß aus der Dorfgemeinschaft drohen. Aber zur Polizei würde wohl ohnehin keiner gehen – warum erfahren wir leider nicht. Kann aber sein, dass das auch nur für das Dorf galt, in dem uns das erzählt wurde…
Der Dorfälteste ist dabei übrigens der Chef eines bestimmten Klans und die Position wird somit innerhalb dieses Klans vererbt.

Jede der 8 Regionen auf Flores hat neben der unterschiedlichen Kultur übrigens auch eine eigene Sprache. Laut Andi ist der Unterschied in etwa so, wie zwischen deutsch und niederländisch. Man kann also einiges erahnen, aber lange nicht alles verstehen. Als Manggarai beherrscht Andi dann auch nur ein Ngada-Wort: „Mollo“ – was so viel bedeutet wie „OK“ oder „in Ordnung“. Mit diesem einen Wort begrüßt er die Leute, ruft es im Vorbeigehen zu und zum Abschied. Passt also irgendwie immer. Wir fanden das sehr amüsant, als wir nachfragten, was er denn da den Leuten immer zurief…

Das gelegentliche gegenseitige Verarschen hatte sich übrigens auch bis zum Ende der 12-tägigen Tour konsequent weiter durchgezogen, so dass wir über Andi daher nur gesichert wissen, dass er zwischen keinem und 5 Kindern hat und eventuell (nicht mehr) verheiratet ist.

(richtig) heiße QuellenEntspannungsbad

Picknick-Tisch und Umkleidekabine

Die heißen Quellen in Malanage – hier fließen ein Fluß mit kalten und einer mit 47 Grad heißem Wasser zusammen. Die Mischung ist dann recht erträglich für ein Entspannungsbad

 

Geschrieben von Bernd | Kategorie: Asien | ,

 
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