Hoher Besuch auf der Insel Lifuka und eine Einladung zu einem „tongan feast“
Der König von Tonga kommt
Seine Majestät, King George Tupou V, der amtierende König von Tonga, hatte sich anläßlich seiner Krönungsfeier im Juli zum ersten offiziellen Besuch auf der Ha’apai-Gruppe angekündigt. Im Rahmen der jährlich stattfindenden „Agriculture-Show“ in Pangai wollte er seinem Volk einen Besuch abstatten.
Die Gelegenheit den König von Tonga aus nächster Nähe zu sehen wollten wir natürlich auch nicht verpassen. Wir hatten uns mit Johanna und Lutz verabredet, die uns morgens mit ihrem „Dingi“ – so werden die kleinen Schlauchboote genannt, die Segler in der Regel im Schlepptau hinter sich herziehen – am Strand eingesammelt und zu ihrer 12-Meter-Yacht gebracht hatten. Bevor es los ging, machte der kleine Levi mit uns noch eine kurze Führung unter Deck und zeigte uns stolz seine Bücher über Fische, Delfine & Wale. Man merkte, dass er sich freute seine Spielkameradin vom Strand an Bord zu haben.
Während Johanna und Lutz die Riffe und Bojen per GPS und Seekarten-App im Auge behielten, durften Anke und ich abwechselnd hinter’m Steuerrad stehen und uns wie echte Hochsee-Kapitäne fühlen. Standesgemäß fuhren wir dann nach einer knappen Stunde auf der Nachbarinsel Lifuka in den Hafen von Pangai ein.
Die Straßen waren mit bunten Wimpeln und jeder Menge Transparenten, die dem König huldigten, geschmückt. Überall entlang der Hauptstraße brachten sich nach und nach Kinder mit Fähnchen in Position, um die entsprechende Jubelkulisse zu bilden. Den Weg zu dem Rugbyfeld, auf dem die „Landwirtschaftsschau“ statt fand, brauchten wir daher nicht lange zu suchen.
Bei einem Rundgang gab es neben gespenstisch aussehenden, getrockneten Tintenfischen auch „tapa“-Matten zu sehen, die von Hand aus der Rinde des Maulbeerbaums geflochten werden und sowohl von Frauen, wie Männern als eine art Rock um die Hüften gewickelt getragen werden.
Eine Band – obwohl passender klingt für mich hier eher der Ausdruck „Kapelle“ – auf der Mitte des Platzes spielte fröhliche „Marschmusik“, versetzt mit einigen Coverelementen unterschiedlichster Stilrichtungen. Ich meine auch ein Filmmusik-Zitat erkannt zu haben, bin aber leider auf keinen Titel gekommen. Ein paar ältere, tonganische Damen tanzten dazu beschwingt vor dem kleinen Zelt mit den Plätzen für die Ehrengäste.
Als der König sich näherte verstummte die Musik und eine Gasse jubelnder Tonganer säumte den Weg über das Feld bis zum aufgestellten Thron. Wie man es von einem König erwartet, winkte er huldvoll und sanftmütig lächelnd aus dem offenen Fenster seines Geländewagens. Die anschließend gespielte Nationalhymne wirkte für tonganische Verhältnisse überraschend getragen auf uns.
Es folgten etliche lange Reden verschiedenster tonganischer Amts- und Würdenträger, die ebenfalls überraschend getragen und emotionslos rüberkamen. Aber wir hatten natürlich auch kein Wort verstanden von dem, was dort vorgetragen wurde.
Die Rede des Königs selbst war dann so leise, dass wahrscheinlich sogar die Tonganer nicht viel davon verstanden haben.
Nicht wenige Gäste auf den „besten Plätzen“ lauschten den langen Ausführungen andächtig mit geschlossenen Augen – nur bei einem kann ich sicher sagen, dass er weggeknackt war, da der Kopf plötzlich zur Seite sackte.
Begleitet von fröhlichen Märschen folgte dann der erlösende Rundgang des Königspaars. Sicherheitskräfte in dem Sinne gab es hier nicht, nur einige freundliche Polizisten, die einem lächelnd den richtigen Weg zeigten, wenn man mal zu weit gegangen war. Wir wurden dann auch lediglich angehalten einen Schritt zur Seite zu gehen, wenn seine Majestät sich nähern würde.
Eine handvoll Soldaten begleitete den König und die Königin bei ihrem Rundgang, nur bewaffnet mit ein paar kunterbunten Regenschirmen zum Schutz der königlichen Häupter vor der Sonne.
Auch wenn wir danach alle relativ zügig vom Platz getrieben wurden, während (endlich wieder) fröhliche Musik eigentlich noch zum Bleiben eingeladen hätte, war es für uns in jedem Fall ein interessantes Erlebnis. Wann trifft man schon mal einen echten König…
Abschied auf See
Wir gingen dann alle zusammen im „Mariner’s Cafe“, einer der beiden Bars in Pangai, ein abschließendes Bier auf seine Hoheit trinken.
Eigentlich wollten Levi & Co in Pangai bleiben, um weitere Besorgungen und diversen Papierkram für die Weiterreise zu erledigen. Wir wollten deshalb mit Taiana und ihrer Familie wieder zurück zu unserer Hütte auf der Insel Uoleva fahren. Schlauerweise hatten wir weder eine Zeit, noch einen Ort ausgemacht. Die Aussage, dass Pangai so klein sei und wir uns dann ja eh sehen würden hatte uns am Morgen noch ausreichend erschienen. Leider konnte ich trotz intensiver Suche am Rugbyfeld und am Hafen keines der Familienmitglieder entdecken.
Aber in Tonga kann man nicht wirklich verloren gehen. Ich wurde auf dem Rückweg zum Mariner’s Cafe von einer vorbeifahrenden Tonganerin gefragt, ob ich eine Familie mit einem kleinen Jungen gesehen hätte. Aber da war mir nichts aufgefallen… Erst als ich später den anderen berichte, kam Anke auf die Idee, dass der kleine Junge ja auch ein kleines Mädchen gewesen sein könnte.
An dieser Stelle sei erwähnt das Fiona aufgrund ihrer meist nicht sehr mädchenhaften Kleidung schon öfter mal für einen Jungen gehalten wurde.
Nach einem Einkauf am Hafen fuhr der selbe Wagen dann wieder an uns vorbei – Pangai ist schließlich nicht sehr groß. Ich rannte hinterher um die Tonganerin anzuhalten. Und tatsächlich, sie suchte wirklich nach uns. Die anderen waren zwar schon lange weg, aber das würde man noch irgendwie regeln.
Da Johanna und Lutz am nächsten Tag eine „Whale-Watching“-Tour von Uoleva aus gebucht hatten und morgens eh zurück segeln hätten müssen, hatten sie schon am Nachmittag beschloßen doch wieder vor Uoleva zu ankern. Aber wir waren natürlich trotzdem sehr froh über die fürsorgliche Suche nach uns. Ich bedankte mich bei ihr. Sie grinste mich nur breit an und verabschiedete sich mich mit „io (dem immer passenden tonganischen „ja/ok“) – no problem“
Gegen Abend ging es dann zum Sonnenuntergang zurück Richtung Uoleva. Und der Anker war schon lange ausgeworfen, als Lutz uns nach ein paar Bierchen und 1-2 Fläschen Panama-Rum unter dem nächtlichen Sternenhimmel mit dem Dingi wieder am Strand absetzte.
Am nächsten Tag wurden wir vom Strand vor unserer Hütte zu unserer zweiten „Whale-Watching“-Tour eingesammelt. Noch mal eine massive Steigerung zum ersten Mal. Wir sahen wieder etliche Buckelwale – mal weiter weg, mal ganz nah an unserem Boot. Sehr imposant anzusehen, wenn sich so ein Riese mit fast voller Körperlänge aus den Wellen erhebt, um dann seine etwa 40 Tonnen Gewicht mit einem lauten Krachen auf’s Wasser aufschlagen zulassen. Bei einer Buckelwal-Mutter und ihrem Baby verbrachten wir ganze 90 Minuten. Ein grandioses Erlebnis. Sogar Matt und Isetta, die „Whale-Watching“-Guides, waren total begeistert und sprachen vom „encounter of the year“.
Anke hatte glücklicherweise von Karin & Wolfgang ein paar Zäpfchen gegen Seekrankheit bekommen, so dass sie ihre erste Seefahrt, ohne über der Reling zu hängen, genießen konnte – also sogar ein doppelt tolles Erlebnis für Anke…
Auf der Suche nach den Buckelwalen begegneten uns Levi, Johanna & Lutz dann ein letztes Mal auf See. Im Vorbeifahren bestätigten wir uns gegenseitig großartige Begegnungen, während beide Boote in unterschiedlichen Richtungen nach weiteren Schwanzflossen suchten.
Mitten drin – tongan life
Am Nachmittag wurden wir dann von Matt mit unseren Rucksäcken vor unserem „Lindsay’s Guesthouse“ am Rand von Pangai abgesetzt. Da wir neben den tollen Südsee-Hütten auch noch ein bisschen was vom Leben der „locals” mitbekommen wollten, hatten wir in einer der wenigen von Tonganern betriebenen Unterkunft gebucht.
Die Begrüßung war herzlich. Man freute sich ganz offensichlich uns zu sehen – hatte aber ebenso offensichtlich keine Ahnung davon, dass wir kommen wollten. Kalafi hatte versprochen vor seiner Abreise nach Tongatapu am Abend zuvor noch mal anzurufen – damit, wie vorab per E-Mail versprochen, „jemand auf uns zu laufen könne, um uns in Empfang zu nehmen“ – aber irgendwo war die Information scheinbar versackt (Die Vorgeschichte zu der Buchung kann im übrigen hier nachgelesen werden: Der Spaß fängt beim Buchen an).
Da eh keines der drei bewohnbaren Zimmer (von insgesamt 8) belegt war, war das zum Glück kein wirkliches Problem. Eine der Tonganerin zeigte uns eines der recht schmuddeligen und unaufgeräumten Zimmer, begleitet von einem eher drohend klingendem „This are our rooms“. Wir sollten hier also wieder mal „landestypisch“ wohnen. Nach den gemütlichen Hütten der letzten Tage brauchten wir ein paar Minuten, um uns auf den neuen Standard einzustellen. Da sie versprach noch aufzuräumen willigten wir ein. Sie wirkte fast etwas überrascht, als sie noch mal nachfragte: „You like this room?“
Später begrüßte uns dann Finau Walter, der Chef des Familienunternehmens, zu dem auch die einzige Bäckerei der Insel gehörte. Mit ihm hatte ich auch vorab gemailt. Finau war erst seit ein paar Tagen – oder Wochen – wieder von einem von seiner Kirchengemeinde finanzierten „kulturellen Austausch“ aus den USA zurück und hatte noch keine Zeit gehabt sich um die Buchungen zu kümmern.
Wir erfuhren, dass gerade erst am Morgen der tonganische Minister für „Labour & Tourism“ und sein alter Freund von der High School, der Minister für „Infrastructure“ abgereist waren. Die beiden waren natürlich auch anläßlich des königlichen Besuchs angereist. Der Minister für „Labour & Tourism“ hatte in unserem Zimmer jedenfalls einen ganz schönen Müll hinterlassen…
Das Zimmer war nicht sehr gemütlich, aber wir verbrachten die meiste Zeit ohnehin auf der Veranda vor dem leicht baufälligen Holzhaus. Finau kam so ziemlich jeden Abend auf ein kleines Schwätzchen vorbei. Von ihm erfuhren wir, dass der Tourismus kein leichtes Geschäft für Tonganer sei – und das die Besucher sich zu oft über alles Mögliche beschweren würden. Er wollte deshalb die Zimmer nach und nach auf Vordermann bringen und teilweise mit eigenem Bad ausstatten. Das alles geschah offenbar in „island time“ – wenn halt mal Zeit dafür war.
Scheinbar beflügelte ihn der erste „längere“ Aufenthalt von Touristen seit einigen Monaten dazu mit der Renovierung fortzufahren. Gleich den zweiten Tag verbrachte er damit einen alten, verfallenen Holzpavillion nebenan, an dem ein Schild mit der Aufschrift „Cafè“ prangte, mit Farbe aufzupolieren. Zum Feierabend lief er bei uns mit dem Farbeimer in der Hand vorbei, um mit einem abschließenden „It’s a lot of work“ die Arbeit für die restliche Dauer unseres Aufenthalts vorerst wieder ruhen zu lassen.
Am späteren Abend lud Finau uns dann rüber in sein Haus auf eine kleine Besichtigungstour ein. Es wirkte ein wenig, als wäre nach dem Einzug (vor langer Zeit) noch nicht alles eingeräumt worden. In einer Ecke stand ein verstaubtes Piano, das mit ebenso verstaubten Kartons zugestellt war und überall stapelten sich auf dem Boden und auf Kommoden Kisten mit allem möglichen Kram. Hinter einem Berg Kartons begrüßte uns seine Frau, die wegen einer Fußverletzung nicht mehr aufstehen konnte – und sich, so wie sie da an dem Tisch saß, gut in das Gesamtbild einfügte.
In der Mitte des Hauses gab es einen überraschend großen, hell beleuchteten Raum, der von den anderen Räumen drumherum zugänglich war. Entlang der Wände reihten sich diverse alte Sofas und Sessel aneinander, dazwischen standen vereinzelt einige rustikal verzierte Holztischchen. Mit knallbunten Plastikblumen, üppigen Gardinen und diversen anderen „kitschigen“ Accessoires erhielt der sehr aufgeräumte Raum ein ganz eigenes Ambiente. Dieses „Vorzeigezimmer“ war so etwas wie das Trophäenzimmer und Ahnengalerie zugleich. Die Wände hingen von oben bis unten voller gerahmter Fotografien und Urkunden, mit Auszeichnungen von diversen Landwirtschaftsschauen (bester Stand, bestes Produkt, etc.). Stolz zeigte uns der ehemalige Rugby-Trainer der Mannschaft von Ha’apai die Fotos von ihm und seinem Team bei nationalen und internationalen Spielen und Begegnungen mit bedeutenden tonganischen Persönlichkeiten. Ganz besonderes Highlight: Finau zusammen mit dem mittlerweile verstorbenen tonganischen König George Tupou IV.
Außerdem erfuhren wir anhand alter Schwarz-Weiß-Fotografien, wie sein Großvater von Deutschland nach Tonga ausgewandert war und dort eine Tonganerin geheiratet hatte. Daher kam also auch der Nachname „Walter“.
Der Stolz, uns diese bebilderte Reise in seine Familien-Historie zu präsentierten, war ihm sichtlich anzumerken – und wir fühlten uns dann auch wirklich geehrt von diesem privaten Einblick.
Insel-Hopping mit dem Fahrrad
Für den Sonntag wurden wir von Finau dann sogar noch eingeladen, den Gottesdienst „seiner“ Gemeinde zu besuchen und an dem anschließenden „tongan feast“ teilzunehmen. Diese „feasts“ sind tief in die tonganische Kultur verwurzelte große und regelmäßige Festessen, bei denen in geselliger Runde recht üppig aufgetischt wird – wie dem Durchschnittstonganer ja auch durchaus anzusehen ist.
Da Finau vor der Kirche noch zu einem „Kava“-Zirkel verabredet war, fuhren wir mit seiner Tochter die 100m bis zur Kirche mit.
Kava ist im übrigen eine Pflanze, deren Genuss eine berauschende/beruhigende Wirkung hat und deren Konsum traditionell nur den Männern erlaubt ist.
Bei unserem ersten Kirchbesuch in Tongatapu waren wir ja mit etwas gemischten Gefühlen aus der Kirche marschiert. In dieser kleineren Kirche überzeugte der extrem druckvolle und laute Gesang der Tonganer allerdings um einiges mehr. Neben der Predigt des Gemeindepriesters hielt Finau dann überraschenderweise auch eine längere Ansprache. Wie sich herausstellte, war er in der Gemeinde scheinbar eine recht angesehene Persönlichkeit. Wir und zwei andere „Palangi“ in der Kirche wurden sogar persönlich als „our guests from overseas“ begrüßt. Er versuchte seine Rede mehr oder weniger zweisprachig zu halten, wobei sich der tongansiche und der englische Anteil in etwa so verhielten, wie die Ansagen der Deutschen Bahn, bei denen lange Ausführungen über Anschlusszüge und Entschuldigungen für Verspätungen mit einem knappen „The train will arrive in 30 minutes. Thank you.“ zusammengefasst werden. Uns genügte der so transportiere Inhalt aber auch so…
Nach dem Gottesdienst stiegen wir wieder zu Finau’s Tochter in’s Auto, um eine Ecke weiter vor einer Art Gemeindehaus wieder auszusteigen. Dort wurde dann an langen Tischen das abgefahrenste Buffet serviert, das wir je gesehen hatten. In portionierten Plastikschalen wurden Unmengen von Fisch-, Fleisch- und Gemüsegerichten auf die Tische gekippt. Darunter begraben lagen einige kleine Spannferkel, Körbe mit Süßigkeiten und was wohl sonst noch so Essbares aufzufinden war. Wichtig schien in erster Linie nur gewesen zu sein, dass es viel war, was sich da vor einem auftürmte.
Begleitet von lauten Gesängen wurde das riesige Buffet dann eröffnet. Dazu hielten Finau, der Priester, ein extra angereister „highest Chief of the village“ und andere Persönlichkeiten der Inselgrupee weitere Ansprachen, die aber niemanden sonderlich zu interessieren schienen, bzw. auf Grund der geringen Lautstärke ohnehin nur von den Rednern selbst verstanden werden konnte.
Ein interessantes Ereignis in jedem Fall…
Und weiter geht’s…
Die nationale Airline, „real tonga“ hatte schon vor unserem ersten Inlandsflug mit einer kurzfristigen Überarbeitung ihres kompletten Flugplans für allgemeine Überraschungen gesorgt. Für uns waren die Auswirkungen glücklicherweise nicht weiter wild. Andere die wir trafen mussten überraschend einen Tag eher aufbrechen oder verpassten internationale Anschlußflüge gleich ganz. Da Finau’s Tochter zufällig auch das „real tonga“-Büro in Ha’apai leitet konnten wir dieses Mal den Weiterflug zur nächsten Inselgruppe ganz entspannt am Frühstückstisch bestätigen lassen.
Sie holte uns zum Checkin sogar persönlich ab, öffnete im Flughafengebäude dann wieder den Schalter und stellte unsere Tickets handschriftlich aus, nachdem wir alle auf die Waage gestiegen waren. Aber in der kleinen Maschine waren wir neben den gewichtigen Tonganern sicher kein wirkliches Gewichtsproblem…
Geschrieben von Bernd | Kategorie: Ozeanien | Ha'apai, Tonga